„Miteinander reden – das ist wichtig!“

Erika, 72, berichtet über das Leben, die Belastungen und über gemeinsame Glücksmomente mit Ihrem an COPD erkrankten Mann. Zusammen haben sie seit 2006 mehrere Selbsthilfegruppen im Raum Hamburg aufgebaut.
 | 05.12.2016

Mein Mann Horst war jahrelang starker Raucher und als Feuerwehrmann häufig giftigem Rauch und Dämpfen ausgesetzt. Die Diagnose hatte er 1992 im Alter von 49 erhalten, damals schon mit einer sehr niedrigen Lungenfunktion: COPD GOLD IV.

Als wir 2006 heirateten war er bereits mehrere Jahre sauerstoffpflichtig und später auch an einen Rollstuhl gebunden.

Unser Motor waren Unternehmungsfreude, Neugier und Engagement

Trotz seiner Erkrankung und obwohl er sich mit den Jahren immer weniger belasten konnte, waren wir immer sehr aktiv. Mein Mann war unternehmungslustig, engagiert und den Menschen zugewandt. Seitdem ich ihn kannte hat er sich für seine Leute interessiert und den Austausch mit anderen Patienten gesucht. Für sie war mein Mann immer ansprechbar.

Oft hat er eine Stunde mit jemandem telefoniert, der vom Arzt gerade die Diagnose COPDerhalten hatte und damit praktisch allein gelassen wurde. Er hat dann immer versucht, denjenigen zu motivieren, mit dem Rauchen aufzuhören, rauszugehen, aktiv zu bleiben – wenn nötig mit Sauerstoff!

Die COPD hat ja immer auch eine starke psychische Komponente – da ist es wichtig, sich nicht zurückzuziehen und über die Erkrankung zu reden, sei es mit dem Partner, einem Freund oder einem anderen Patienten. Das hat uns auch dazu bewogen, mehrere regionale Selbsthilfegruppen im Raum Hamburg aufzubauen und Gruppentreffen mit Referenten zu organisieren.

Mit den Einschränkungen leben kann man lernen

Wir haben immer viel zusammen unternommen, sind z.B. ins Theater, ins Kino, auf Konzerte, in den Zirkus oder in Musicals. Mehrere Male sind wir mit Wohnmobil oder einem gemieteten Motorboot durch Deutschland und Österreich gereist. Familie und Freunde waren uns sehr wichtig und gegenseitige Besuche standen auf der Tagesordnung. Wir sind auch solang es ging jedes Jahr zum Symposium Lunge nach Hattingen gefahren.

Als Partner habe ich praktisch alles für ihn gemacht: Morgens habe ich ihn im Bad fertig gemacht und in sein Arbeitszimmer geführt. Ich habe gekocht und auch die Hausarbeit übernommen. Wenn wir unterwegs waren, habe ich mich um Rollstuhl, Sauerstoffvorrat, Beatmungsgerät und Medikamente gekümmert.

Über die Jahre haben wir auch immer wieder versucht, unseren Alltag an den Gesundheitszustand meines Mannes anzupassen. Anschaffungen wie ein VW Bus mit Laderampe für den Rollstuhl, ein Sauerstofftank, ein Treppenlift, ein Rollstuhl und ein Wannenlift haben uns ermöglicht, weiterhin einen aktiven Lebensstil zu führen.

Als Partner gibt man viel – und bekommt viel zurück!

Natürlich ist es anstrengend, wenn man mit einem kranken Menschen unterwegs ist und er Luftnot bekommt. Wenn man seinen Partner liebt, dann muss man eben auch zurückstecken können. Als Belastung habe ich das eher nicht empfunden. Manchmal merkt man schon, dass man stark gefordert ist. Nun bin ich ein Mensch, der immer schon wenig an sich selbst gedacht hat und für meinen Mann habe ich es einfach gerne gemacht.

Umgekehrt hat mein Mann sich auch viel um mich gesorgt und sich viele Gedanken gemacht, dass es mir gut geht, wenn er mal nicht mehr da ist. Bis zum Schluss haben wir uns fast täglich gesagt „Ich hab Dich lieb!“ – das war uns immer wichtig und kam ganz plötzlich, zum Beispiel beim Fernsehgucken auf der Couch.

Gegenseitiges Verständnis aufbauen – Zu Hause und in Selbsthilfegruppen

Dass man als COPD-Patient mit seinen Grenzen vom Partner akzeptiert und verstanden wird, ist glaube ich sehr wichtig. Deshalb sind in unserer Selbsthilfegruppe auch die Partner von Patienten erwünscht und willkommen.

In so einer Gruppe kann man viel lernen, wenn es um ganz praktische Fragen des Alltags geht: Wie nehme ich die Medikamente richtig ein? Wie bekomme ich einen Behindertenausweis? Wie beantrage ich eine Pflegestufe? Wie bleibe ich trotz Sauerstoff mobil? Das sind alles Themen, die auch die Partner betreffen!

Nachdem mein Mann im vorigen Jahr verstorben ist, leite ich die Selbsthilfegruppe in Hamburg zusammen mit einem weiteren Teilnehmer – ich habe die Gruppe von Anfang an mit aufgebaut und wüsste nicht, warum ich jetzt, da mein Mann nicht mehr bei mir ist, damit aufhören sollte. Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft geworden – egal ob mit oder ohne COPD!

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2 Kommentare
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Vera gravenstein
1 Jahr zuvor

Suche Selbsthilfe Gruppe COPD im Raum Bad Soden

Renate Kersting
1 Jahr zuvor

Hallo, ich wohne in Lüneburg, bin 75 Jahre alt und hätte sehr gerne Kontakt mit einer COPD Gruppe. Ich habe seit 2016 die Diagnose COPD, vorher war mir nur klar, ich habe ein Lungenemphysem.
Über eine Nachricht würde ich mich freuen.
Herzliche Grüße Renate Kersting

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