Diese „Abwärtsspirale“ führt zu einer zunehmend reduzierten Belastbarkeit, einem damit einhergehenden Muskelabbau (sog. Inaktivitätsatrophie = Abnahme von Muskelkraft und Ausdauer), reduzierter Bewegungskoordination und dem Verlust der Fähigkeit, den eigenen Alltag zu bewältigen – was insgesamt zu einer schnelleren Verschlechterung der Erkrankung an sich führt.
Ja, wir – die Patienten, die Therapeuten und behandelnden Ärzte, Pneumologen – wissen es alle! Körperliche Aktivität/Bewegung ist eine wichtige Säule der nicht-medikamentösen Therapie bei chronischen Atemwegserkrankungen – denn sie durchbricht diese Abwärtsspirale. Nachzulesen auch in den Sportempfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Lungensport, www.lungensport.org und der Deutschen Atemwegsliga, www.atemwegsliga.de.
Angestrebt werden: mindestens 30 Minuten körperlich dosiertes, moderates Training täglich.
Mindestens einmal jährlich sollte der behandelnde Arzt den Umfang der körperlichen Aktivität des Patienten/der Patientin abfragen, diesen in Zusammenhang mit der individuellen Leistungsfähigkeit und möglicherweise vorhandenen Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) bewerten und ggf. eine Beratung und Empfehlung bzgl. Heimtraining, Rehabilitation und Lungensport vornehmen.
Allerdings scheitert die Durchführung von körperlichem Training leider oftmals an fehlender Anleitung, Motivation, gefühlt fehlender Unterstützung und der Angst vor Atemnot und Belastung.
Warum soll man sich bewegen, wenn eh schon jeder Schritt, jede Treppenstufe Atemnot auslöst – manchmal sogar, wenn man nur daran denkt?
Ihre Bereitschaft: ich will
Auch wenn Mobilität und Mobilsein ein Grundbedürfnis von uns Menschen ist – und ein wichtiger Parameter für Lebensqualität – so bedeutet sie nicht nur Bewegung im geografischen Raum und evtl. mit Hilfsmitteln, vielmehr ermöglicht Mobilität eine Teilhabe am sozialen Umfeld.
Voraussetzung für die Mobilität als Teilhabe und im geografischen Raum ist aber zunächst die mentale Steuerung (Entscheidung, Wille, Koordination der Muskelbewegung …) und damit auch die persönliche Bereitschaft, sich überhaupt zu bewegen und „aufzuraffen“.
Durch die persönliche Mobilität wird die Lebensqualität wesentlich zum Positiven beeinflusst. Gleichzeitig setzt man ein „Zeichen“ für seine selbstständige Lebensführung, seine Lebensfreude und sein Krankheitsmanagement. Manchmal entstehen Mobilitätsbarrieren einfach in unserer Gedankenwelt und führen so zu sozialer Isolation. Womit wieder gilt: Bewegung (körperlich und im sozialen Raum) ist die beste Medizin.
Körperliche Aktivität ist laut Definition „jede Bewegung des Körpers, die eine Kontraktion (Anspannung) der Muskulatur und den Energieverbrauch über den Ruheenergieverbrauch kombiniert“. Körperfunktionen oder -strukturen können aber nur erhalten bleiben, wenn sie kontinuierlich gebraucht und einsetzt werden.
Bewegungsübungen mit dem Theraband
Michaela Frisch demonstriert mit Hilfe eines elastischen Trainingsbands (landläufig als „Theraband“ bezeichnet), wie ein Muskelaufbautraining ganz einfach realisiert werden kann. Hier stellt Sie uns eine einfache Übung in drei Schwierigkeitsstufen vor. Weiterlesen
Unschlagbar überzeugende Effekte
Körperliche Aktivität führt neben dem Training des Herz-Kreislauf-Systems, dem Aufbau der Muskulatur, der Verbesserung der psychischen Belastbarkeit zu vielen weiteren positiven Effekten:
- Steigerung des Lungenvolumens
- Verbesserung der Atmung
- Verbesserung der Sauerstoffaufnahme bzw. des Sauerstofftransports
- Verlangsamung des Gehirnalterungsprozesses (Demenzschutz)
- Verbesserung der Insulinempfindlichkeit (Reduzierung des Altersdiabetes)
- Verbesserung der Knochendichte (Vorbeugung von Osteoporose)
- Senkung des Blutdrucks
- Förderung des allgemeinen körperlichen Wohlbefindens
- Verbesserung der psychischen Ausgeglichenheit
- Stärkung des Immunsystems
- Förderung sozialer Kontakt
- Steigerung der Lebensqualität
- Förderung der Mobilität (auch im Bereich sozialer Interaktionen)
- Schulung der Koordination (Sturzprävention und -prophylaxe)
Aspekt erhöhte Sturzgefährdung
Gerade in Bezug auf die Sturzstatistik holen leider Atemwegspatienten aktuell auf. Generell stürzen 30 % aller 65- bis 79-Jährigen, 45 % aller 80- bis 89-Jährigen und 56 % aller 90- bis 99-Jährigen einmal im Jahr. Dies bedeutet insgesamt ca. 4-5 Millionen Stürze pro Jahr bezogen auf Deutschland. Wobei die Dunkelziffer sicher deutlich höher liegt, da nicht nach jedem Sturz tatsächlich ein Arztbesuch erfolgt. Mangelnde Schulung im Umgang mit dem Rollator oder dem Caddy für die Langzeit-Sauerstofftherapie, ebenso die reduzierte Muskulatur und beispielsweise das Tragen von offenen Schuhen (zwecks Vermeidung des Bückens beim Schuhebinden) und weitere Vermeidungsstrategien führen dazu, dass immer mehr chronische Atemwegspatienten stürzen. Jeder Sturz erhöht jedoch das Risiko eines Folgesturzes um etwa 30 %.
Umso wichtiger ist daher die entsprechende Schulung im Umgang mit Hilfsmitteln. Körperliche Übungen haben sich zudem zur Sturzprävention für die Bewältigung des Alltags überaus bewährt.
Lungensport als erster Schritt
Und damit sind wir beim Lungensport – ob online oder in Präsenz – und den damit verbundenen Schulungen und Anleitungen zum Training, zur Bewältigung der Alltagsbelastungen und zur Anleitung eines Heimprogramms.
Angepasst an die körperliche Belastbarkeit des Einzelnen werden dosierte Trainingsprogramme gemeinsam erarbeitet, mit dem Ziel der besseren Bewältigung des Alltags. Wichtig ist dabei eine realistische Vorgabe, die immer wieder neu angepasst werden muss. Ebenso sind Integration und Umsetzbarkeit in den Alltag unter Berücksichtigung der Lebenssituation jedes einzelnen Lungensportlers/rin. Nur so kann eine Trainingskonstanz erreicht werden. Alle Teilnehmer/-innen müssen zudem im Rahmen des Trainings unmittelbar bei ihrer tagesaktuellen Leistungsfähigkeit abgeholt werden, um sowohl einer Unterforderung und daraus resultierende Lustlosigkeit als auch einer Überforderung und daraus resultierende Angst vor Belastung/Atemnot entgegenzuwirken.
Bewegung tut gut! Vor allem Lungenpatient:innen wird empfohlen, sich regelmäßig zu bewegen – am besten in einer Lungensportgruppe. Denn hier ist das Programm speziell darauf zugeschnitten, COPD- und Asthma-Patient:innen zu leichterem Atmen zu verhelfen. Weiterlesen
Grundlagen und Trainingssteuerung
Ziel ist, dass alle Patienten von ihrer Teilnahme am Lungensport sowohl hinsichtlich ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit als auch ihrer Bewältigung bei Alltagsbelastungen profitieren und somit ihre Krankheit selbstständig managen können. Die Selbstständigkeit im Alltag und das Selbstwertgefühl der Betroffenen werden gestärkt. Die Teilnehmer/-innen profitieren durch ihre Teilnahme am Lungensport und der vielfältigen Gestaltung der Trainingseinheiten nachhaltig.
Im Rahmen der Trainingssteuerung bedeutet dies auf der einen Seite eine Feststellung der Schwierigkeiten und Probleme des Einzelnen in seinem Alltag, der räumlichen Gegebenheiten, der Vorstellungen und Erwartungen – auch der Bereitschaft – des Patienten und auf der anderen Seite die gemeinsame Erstellung eines individuellen Trainingsplans.
Hierzu zählt u.a. das Einüben von veränderten Bewegungsabläufen, die Aufteilung von Bewegungen in einzelne Teilsegmente sowie die Schulung des Bewegungstempos mittels Borg-Skala (idealerweise an mehreren Stellen im Übungsraum angebracht).
Grundlage aller körperlicher Aktivitäten ist im Vorfeld eine ausführliche Schulung der Atemtechnik Lippenbremse und der verschiedenen atemerleichternden Körperpositionen.
Ist dies erfolgt, bietet sich die Durchführung eines Alltagszirkels an. Aber eben nicht mit dem Ziel, eine große Anzahl an Wiederholungen zu erreichen, sondern vielmehr, eine vorgegebene Zeit ohne Atemnot und Ermüdungserscheinungen durchzuhalten und durchaus – aber immer wieder selbstständig – auch atemerleichternde Positionen einzunehmen.
Atemtechnik bei Luftnot: PEP-Atmung und dosierte Lippenbremse
Mithilfe bestimmter Atemtechniken können Sie der Atemnot effektiv entgegenwirken. Die wichtigste Atemtechnik, die sich hinter dem Kürzel "PEP" verbirgt, stelle ich Ihnen in diesem Beitrag vor. Weiterlesen
Für den individuellen Trainingsplan kann der gesamte Gerätebestand – sofern man in der glücklichen Lage einer entsprechend ausgestatteten Räumlichkeit ist – genutzt werden. So können die täglichen Belastungen wie (schwere) Wäsche aus der Waschmaschine ausräumen und aufhängen (z.B. mit einem Korb oder einem kleinen Kasten, Sandsäckchen, Gymnastikseilen und der Sprossenwand …), Bodenwischen/Staubsaugen (Stab und Tennisring …), aufstehen (kleiner Kasten, Hocker …), Fensterputzen (Sandsäckchen oder Jongliertuch an der Wand …), Spülmaschine ausräumen (Frisbeescheiben, Hanteln, Federbälle, Bohnensäckchen, kleiner Kasten …) simuliert und trainiert werden.
Der eigenen Fantasie – auch unter Mitwirkung und Einbeziehung der Teilnehmer und ihrer Ideen – sind dabei keine Grenzen gesetzt.
Umsetzung im Alltag
Genauso wichtig wie eine umfassende Anleitung ist an- schließend die konsequente Umsetzung durch die Teil- nehmer/-innen in ihrem Alltag. Ergänzt durch das tägliche Heimtrainingsprogramm – natürlich zusätzlich zu den täglichen Belastungen durch den Alltag und den Haushalt. Angeleitet im Lungensport und anschließend dann in den Alltag integriert.
Grundsätzlich gilt:
- Nutzen Sie jede Möglichkeit, im Alltag zu trainieren.
- Jedes Alltagsgerät eignet sich zum Training.
- Jede Minute, jeder Schritt, jede Treppenstufe zählt: für Ihre Lebensqualität/Mobilität und soziale Teilhabe.
- Realistische Ziele reduzieren den inneren Schweinehund.
- Dokumentieren Sie Ihre Aktivitäten, z.B. auf dem Aktivitätsprotokoll der AG Lungensport.
- Wichtig! Jeder muss sein Tempo finden und darf sich zwar von der Gruppe oder den Angehörigen zu Hause motivieren, nicht aber unter Zwang setzen oder gar überfordern lassen. Hören Sie immer auf den eigenen Körper und achten Sie bewusst auf die Atmung. Wer einen Pulsoximeter hat, soll und kann diesen gern zur Kontrolle mit einsetzen. Auch die Borg-Skala ist ein gutes Selbstkontrollinstrument. Allerdings ist hier die vorherige Schulung und der Einsatz im Lungensport zur Einarbeitung und Selbsteinschätzung Voraussetzung. Und: jeder schätzt sich selber ein! Der ideale Trainingsbereich – nach einer entsprechenden Aufwärmphase – liegt zwischen 4 und 7. Auch die Trainingsbelastung sollte gesteuert und dosiert werden, um ein Überschreiten der Linie in den roten Bereich zu vermeiden.
- Bewegung ist nicht nur im Alltag und für das individuelle Krankheitsmanagement eines Atemwegspatienten wichtig, sie dient auch der Ausschüttung von Glückshormonen. Und das mögen unsere inneren Bewegungsmuffel und Schweinehunde gar nicht!
Also: Aktiv sein und damit den Verlauf der Erkrankung beeinflussen!
Bewegungsmotivation für den Alltag mit Trainingsband
Übung leicht
Ausgangsstellung: aufrechter gerader Sitz, die Beine stehen hüftbreit stabil. Das Trainingsband doppelt und schulterbreit greifen, auf die Beine legen
Atmung: Training der Flankenatmung, Atemkoordination, Mobilisation des Brustkorbs und des Schultergürtels.
Mit der Einatmung durch die Nase den Oberkörper nach rechts aufdrehen, dabei ist der rechte Arm gestreckt auf Schulterhöhe, der linke gebeugte Arm „folgt“, optisch wie ein Torero beim Stierkampf. Mit der Ausatmung über die Lippenbremse- langsames Ausströmen der Luft über die Lippen- wieder in die Ausgangsstellung zurückkehren. Mit der nächsten Einatmung: Seitenwechsel.
Training: Beinkräftigung, Hüftbeweglichkeit fürs Gehen, auch am Rollator, Treppe steigen, Einstieg Dusche, Ankleiden, …
Gegen den Widerstand des Trainingsbandes, das rechte Bein mit der Ausatmung über die Lippenbremse- langsames Ausströmen der Luft über die Lippen- soweit wie möglich gebeugt abheben (der Oberkörper bleibt stabil), mit der Einatmung das Bein wieder absetzen. Seitenwechsel.
Variation: das Bein in kleinen Bewegungen gegen den Widerstand des Bandes auf und ab bewegen, zusätzlich die Arme ziehen die Arme in kleinen Bewegungen zur Seite. Dabei trotz der kleinen und schnellen Bewegungen ganz bewusst die Atmung mit der Lippenbremse fließen lassen.
Übung mittel
Ausgangsstellung: aufrechter stabiler hüftbreiter Stand auf dem Trainingsband, das Band über Kreuz greifen
Atmung: Brustkorbmobilisation, Atemkoordination, Training der Flankenatmung
Mit der Einatmung durch die Nase den Oberkörper zur rechten Seite beugen, Mit der Ausatmung über die Lippenbremse- langsames Ausströmen der Luft über die Lippen- die Arme mit dem Band nach vorne strecken und den Oberkörper wieder zur Mitte in die Ausgangsstellung führen. Mit der nächsten Einatmung durch die Nase die Arme wieder an den Körper führen und gleichzeitig den Oberkörper zur linken Seite führen. Steter Seitenwechsel.
Training: allgemeine Kräftigung, Koordination, Training für die Belastungen des Alltags
Die Knie leicht beugen, den geraden Oberkörper nach vorne führen, das Band unter Spannung bringen. In kleinen Schritten in Kombination mit kleinen Bewegungen der Arme vor und zurück bzw. nach rechts bzw. links gehen. Dabei ganz bewusst die Atmung mit der Lippenbremse fließen lassen.
Übung belastend
Ausgangsstellung: aufrechter stabiler hüftbreiter Stand. Jedes Bein auf ein Ende des Trainingsbandes stellen, mit beiden Händen das Band schulterbreit greifen
Atmung: Atemkoordination, Brustkorbmobilisation
Mit der Einatmung durch die Nase den Oberkörper aufrichten, die Schulterblätter nach hinten-unten führen. Mit der Ausatmung über die Lippenbremse – langsames Ausströmen der Luft über die Lippen – den Oberkörper langsam wieder „einrollen“.
Training: Ganzkörpertraining, allgemeine Kräftigung, Koordination
Mit der Ausatmung über die Lippenbremse- langsames Ausströmen der Luft über die Lippen- die Arme nach oben zur Decke strecken und zusätzlich die Knie bis auf Barhockerhöhe beugen, mit der Einatmung durch die Nase wieder in die Ausgangsstellung zurückkehren.
Variation: Stellung auf Barhockerhöhe halten und die Arme in der stabilen Position in kleinen Bewegungen zur Decke führen.
Quellen:
– Patientenzeitschrift COPD in Deutschland (Patienten-Bibliothek), Ausgabe 3 | 2022