Der Beginn einer Langzeitsauerstofftherapie (LTOT)

Unsere Blog-Autorin Michaela Frisch im Gespräch mit Angelika Uher (stellvertretende Vorsitzende der Deutsche Sauerstoff- und BeatmungsLiga LOT e. V.) über Ihre Erfahrungen mit einer Langzeitsauerstofftherapie.
 | 07.02.2024

Michaela Frisch: Hallo Angelika, vielen Dank für deine Zeit. Da wir uns schon lange kennen, bleiben wir auch heute beim Du. Erinnere dich bitte an den Anfang deiner Langzeitsauerstofftherapie (LTOT) zurück. Wie hast du dich gefühlt?

Angelika Uher: Nach der Diagnosestellung, die es noch zu verarbeiten galt, herrschte eine große Unsicherheit. Ich würde schon fast Hilflosigkeit sagen. Ich kannte mich weder mit den Begrifflichkeiten noch mit den verschiedenen Versorgungsformen bzw. Geräten aus. Mein Mann war hoffnungslos überfordert mit der Situation und ich kämpfte mich zunächst allein durch das Thema. Glücklicherweise fand ich bei einer Selbsthilfegruppe Unterstützung. Die damalige Gruppenleiterin Ursula Krütt-Bockemühl holte mich mit ihrem Wissen und ihrem Umgang zum Thema Sauerstoff ab.

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Michaela Frisch: Zunächst warst du Mitglied der Selbsthilfegruppe, später Regionalgruppenleiterin und dann wurdest du stellvertretende Vorsitzende. Berichte doch bitte nach deinem Kenntnisstand und den Rückmeldungen der Gruppenmitglieder, welche Themen gerade am Anfang der Therapie auftauchen.

Angelika Uher: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Geräteauswahl und -einweisung meist zu rasch erfolgen. Dies kann dazu führen, dass sich die Betroffenen allein gelassen oder gar überfordert fühlen. Wenn das medizinische Grundwissen und der Bezug zur Langzeitsauerstofftherapie fehlt, wird es schwer, eine Therapietreue (die sogenannte Compliance) aufzubauen.

Angehörige fragen sich häufig, wie sie mit dem Erkrankten umgehen sollen und was die Erkrankung inklusive der Therapie für den Betroffenen bedeutet. Die Erkrankten selbst stellen sich ebenfalls grundlegende Fragen. Wie reagiert mein Umfeld? Meine Familie Was wird mein Arbeitgeber sagen? Kann ich noch außer Haus mobil sein? Freunde und Familie besuchen? Ist Verreisen noch möglich?

Michaela Frisch: Auf Lungenerkrankungen spezialisierte Hilfsmittellieferanten bieten ihren Patienten bei der Einweisung, insbesondere für die Versorgung außer Haus, eine breite Geräteauswahl an. Hast Du Tipps, auf was es zu achten gilt?

Angelika Uher: Gib vorhandener Angst keinen unnötig großen Raum und lass dir alles erklären. Fertige ggf. Notizen an, denn in der Aufregung kann man schnell wichtige Punkte vergessen.

Hilfreich ist es, wenn die Geräte vor Ort getestet werden können. So werden eventuell auftretende Hemmungen gleich abgebaut. Eine Patientin schilderte mir vor kurzem, dass sie nicht ausreichend Kraft hat, ihr Mobilgerät zu tragen. Andere Patienten berichten von einer Beklemmung beim Umgang mit Flüssigsauerstoff. Auch sind Fragen zu Akkulaufzeiten bei Mobilkonzentratoren an der Tagesordnung. Alles sollte direkt bei der Einweisung angesprochen werden und kann i. d. R. unkompliziert durch den Versorger erklärt bzw. gelöst werden. Ich selbst berate zwar gern und stehe zur Seite, doch anpassen kann ich die Versorgung nicht.

Michaela Frisch: Was würdest du deinen Mitbetroffenen empfehlen?

Angelika Uher: Fragen, fragen, fragen! Selbststudium im Internet verunsichert. Das Fachpersonal des Versorgers nimmt sich bei Fragen vor Ort die Zeit zum Erklären. Das sollte genutzt werden. Auch wenn im Nachgang eine telefonische Betreuung möglich ist, erweist sich das Gespräch von Angesicht zu Angesicht als effektiver.

Michaela Frisch: Was macht für dich eine gute Betreuung aus? Wann fühlst du dich gut bei deinem Versorger aufgehoben?

Angelika Uher: Zunächst lege ich Wert auf eine gute Einweisung – und zwar über den Tellerrand hinaus. Ich meine damit, dass Alltagssituationen erläutert werden. Worauf ist beispielsweise beim Kochen oder beim Kerzenaufstellen während der Sauerstoffinhalation zu achten? Weiterhin freue ich mich, wenn ich berichtet bekomme, dass sich manche Versorger die Mühe machen und nochmals schauen, ob der Patient die sogenannte Atemzugsteuerung an einem tragbaren Sauerstoffgerät auslösen kann. Man spricht hierbei von der Überprüfung der sogenannten Demandfähigkeit. Ist diese vorhanden, vergrößert sich der Bewegungsradius außerhalb der häuslichen Umgebung enorm, da das Mobilgerät den Sauerstoff nur bei der Einatmung abgibt. Und vielleicht noch eine Sache: ein Leitfaden in Form eines Nachschlagewerkes schafft Transparenz und gibt auch im Nachgang Sicherheit. Es ist in Ordnung, bei der Einweisung überfordert zu sein und praktisch, wenn dann eine kleine Fibel zum Nachlesen bereit liegt.

Michaela Frisch: Ich höre heraus, dass die ganzheitliche Betrachtung der Lebenssituation und ein hohes Einfühlungsvermögen Qualitätsmerkmale für dich sind.

Angelika Uher: Fingerspitzengefühl hilft, ja. Weiterhin greift der spezialisierte Lieferant auf eine große Geräteauswahl zurück. Die Versorgung kann somit den individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Passt die Versorgung zum Betroffenen, fällt ihm die dauerhafte Umsetzung der Sauerstofftherapie leichter und führt eher zum gewünschten Erfolg.

Michaela Frisch: Welche Rolle spielen Schulungen zur Langzeitsauerstofftherapie?

Angelika Uher: Wenn sie neutral und fundiert durchgeführt werden: eine sehr wichtige. Selbsthilfegruppen bieten eine gute Plattform, da Betroffene zu Betroffenen sprechen. Tipps und Tricks Gleichgesinnter sind alltagsnäher. Um auf dem aktuellen Stand der Entwicklung zu bleiben, lohnt es sich jedoch, zusätzlich Fachpersonal wie beispielsweise Ärzte, Assistenzpersonal, Therapeuten oder Medizintechniker einzubinden.

Michaela Frisch: Lohnen sich die Schulungen „nur“ für Patienten?

Angelika Uher: Da sich die Versorgungsmöglichkeiten weiterentwickeln: nein. Auch Fachpersonal, bei denen die Langzeitsauerstofftherapie zum Arbeitsalltag gehört, sollte auf dem aktuellen Stand der Technik bleiben. Damit spreche ich auch Ärzte, Assistenzpersonal und Therapeuten an. Mir gefällt die Option, dass sich medizinische Fachangestellte zur O2-Assistenz weiterbilden können.

Michaela Frisch: Was motiviert dich, selbst in einer Selbsthilfegruppe tätig zu sein?

Angelika Uher: Meine Beratungstätigkeit ist gleichzeitig eine Art der Selbsthilfe für mich. Durch die Anliegen meiner Mitpatienten lerne ich immer wieder neue Lebenssituationen kennen und merke, dass ich nicht allein bin. Ich habe eine sinnvolle Aufgabe und muss mich stets weiterbilden. Der persönliche und telefonische Kontakt zu den Gleichgesinnten tut gut. Es ist wichtig, die Krankheit zu verstehen, die Therapie zu akzeptieren und die Situation selbstständig managen zu können. Gemeinsame Gespräche entlastet ungemein.

Michaela Frisch: Wenn ich unser Gespräch Revue passieren lasse, nehme ich mit, dass die Langzeitsauerstofftherapie durch die Zusammenarbeit von Ärzten bzw. Therapeuten, dem spezialisierten Hilfsmittellieferanten und dem Willen des Patienten zum Erfolg führen kann. Vielen Dank für deine Zeit und den Ausblick auf das, was noch kommen mag.

Quellen:
– Patientenzeitschrift COPD in Deutschland (Patienten-Bibliothek), Ausgabe 4 | 2023

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